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Empathie und Mitgefühl: ein großer Unterschied?

Empathie und Mitgefühl

114966ad277c4e59be393c2f573be4efIn der Vergangenheit hat der Begriff „Empathie“ eine sehr einseitige Aufwertung erfahren. Immer häufiger wird er synonym zu Mitgefühl oder Einfühlungsvermögen verstanden. Doch dem ist beileibe nicht so. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass sie zwar entfernte Verwandte sind, jedoch mit unterschiedlichen Nuancen und Konsequenzen – im schlimmsten Fall stehen sie wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde zueinander. 

Auch erfolgreiche Narzissten, Egomanen und besonders Populisten sind sehr empathisch. Um nicht in die manipulative Falle der Empathie zu geraten, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Unterschiede zwischen Empathie und Mitgefühl zu werfen und sich zu fragen, warum zum Beispiel im Job so oft „Empathie“ als gewünschte Eigenschaft genannt wird.

Empathie ist zweifellos eine wertvolle menschliche Eigenschaft. Sie ermöglicht es uns, uns in die Gefühle und Erfahrungen anderer hineinzuversetzen und ihre Perspektive zu verstehen. Wenn wir empathisch sind, können wir die Freuden und Leiden anderer auf einer emotionalen Ebene nachvollziehen. Es ist ein Akt der Einfühlung und des Verständnisses, der oft zu tieferen zwischenmenschlichen Beziehungen führen kann.

Jedoch birgt Empathie eben auch eine dunkle Seite. Sie kann zu einer Art sozialen Manipulation werden, bei der wir die Gefühle anderer ausnutzen, um unsere eigenen Ziele zu erreichen. Ein geschickter Manipulator nutzt Empathie als Werkzeug, um das Vertrauen anderer zu gewinnen und ihre Handlungen zu beeinflussen, ohne dabei tatsächlich mitfühlend zu sein. Dies ist besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen und sogar in der Geschäftswelt weit verbreitet, wo Empathie als Mittel zur Erreichung persönlicher Ziele missbraucht wird.

Wo Empathie oft eigennützig ist.

Manipulative Partnerschaften: In vielen ungesunden Beziehungen kann eine Person Empathie nutzen, um das Vertrauen ihres Partners zu gewinnen und sie dazu zu bringen, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu vernachlässigen. Ein Partner nutzt die erwartbaren Emotionen des anderen aus, um sie dazu zu bringen, bestimmte Handlungen auszuführen oder Bedingungen zu akzeptieren, die für sie nicht gesund oder fair sind. Narzissten entpuppen sich oft als talentierte Mr. Ripleys.

Politische Manipulation: Politiker und Führungspersönlichkeiten können Empathie nutzen, um Wähler zu beeinflussen und ihre Unterstützung zu gewinnen, ohne tatsächlich an den Bedürfnissen oder Interessen der Menschen interessiert zu sein. Indem sie empathisch erscheinen und vorgeben, die Sorgen und Ängste der Menschen zu teilen, können sie Stimmen gewinnen, auch wenn ihre tatsächlichen Motive selbstsüchtig oder unehrlich sind. Der Populismus, mit dem viele Politiker Sympathien gewinnen, ist das empathische Talent für die Gefühle, die die Masse bewegen.

Arbeitsplatzmanipulation: In einem beruflichen Umfeld können Mitarbeiter oder Vorgesetzte Empathie nutzen, um Kollegen zu manipulieren oder gar zu kontrollieren. Nicht selten nutzen Mitarbeiter die Emotionen eines Kollegen aus, um sie dazu zu bewegen, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen oder unangemessene Kompromisse einzugehen, die letztendlich nicht im Interesse des Kollegen liegen.

Soziale Ausbeutung: In sozialen Gruppen oder Gemeinschaften können Personen Empathie verwenden, um das Vertrauen anderer zu gewinnen und sie dazu zu bringen, Ressourcen oder Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die dann für persönliche Gewinne genutzt werden. Dies kann von kleinen Gefälligkeiten bis hin zu umfassenden finanziellen oder materiellen Ausnutzungen reichen.

Mitgefühl hingegen geht über Empathie hinaus. 

Während Empathie das Verstehen und Teilen der Gefühle anderer beinhaltet, erfordert Mitgefühl zusätzlich den Wunsch und die Bereitschaft, etwas zu tun, um das Leiden anderer zu lindern. Mitgefühl manifestiert sich in Handlungen der Freundlichkeit, der Hilfe und des Trostes gegenüber denen, die leiden. Es ist eine aktive Form der Fürsorge, die darauf abzielt, das Wohlergehen anderer zu fördern, selbst wenn es uns selbst keine unmittelbaren Vorteile bringt.

Im Gegensatz zu Empathie ist Mitgefühl weniger anfällig für Missbrauch zu eigenen Zwecken. Während empathisches Verständnis zwar verwendet werden kann, um das Verhalten anderer zu beeinflussen, erfordert Mitgefühl einen echten Einsatz für das Wohl anderer, der nicht so leicht ausgebeutet werden kann. Es ist eine Form der Großzügigkeit und des Altruismus, die eine tiefere Verbindung zu anderen Menschen schafft und langfristige positive Auswirkungen hat.

In einer Gesellschaft, in der Eigeninteresse oft als oberste Priorität gilt, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Empathie und Mitgefühl zwar verwandt sind, aber dennoch unterschiedliche Facetten menschlicher Verbundenheit darstellen. Empathie allein kann uns dazu verleiten, die Gefühle anderer für unsere eigenen Zwecke zu nutzen, während Mitgefühl eine aufrichtige Hingabe an das Wohl anderer erfordert. Indem wir diese Unterschiede verstehen und danach streben, Mitgefühl in unsere Interaktionen einzubinden, können wir eine Welt schaffen, die von echter Fürsorge und Mitmenschlichkeit geprägt ist.

Foto von Giulia Bertelli auf Unsplash