Sandra Schumacher bietet auf WOMZ ihre Erfahrung und ihren Rat bei Fragen zu Lebensplanung, Job & Geld an. Wer mehr über sie erfahren möchte, findet hier unser Interview. Heute berichtet sie von leidvollen Erfahrungen, die fast zu 100% nur Frauen im Job machen: Wie Schwangerschaft und Elternzeit aus einem Traumjob einen Alptraum machen können und wie man dem mit Mut und Recht begegnet:
Letzte Woche saß mir Nina gegenüber. Lebhaft, lustig, Mutter eines kleinen Sohns, der jetzt bald ein Jahr alt wird. Und Nina erzählte mir etwas, was mich so wütend macht: „Kaum hatte ich meinem Chef erzählt, dass ich schwanger bin, wurde ich von meinen wichtigsten Kunden abgezogen und übernahm kleinere Kunden. Er sagte mir, dass ich jetzt mit der Schwangerschaft ja vielleicht nicht mehr so verlässlich da wäre. Und dass er Planungssicherheit haben möchte bei den für die Agentur wichtigen Kunden. Ich habe zugestimmt, ich wollte keinen Streit riskieren. Aber geärgert habe ich mich damals doch, ich war echt sauer!“
Ärgerlich fängt es an, noch viel ärgerlicher hört es auf.
Aber leider blieb es für Nina nicht dabei. In den folgenden Wochen wurde sie nicht mehr zu allen Meetings eingeladen, wichtige Termine in der Agentur fanden auf einmal ohne sie statt. Ehe sie sich versah, war sie komplett aufs Abstellgleis geschoben. Alle Gespräche, die sie dazu mit ihrem Chef gesucht hat, wurden mit einem Achselzucken abgetan: Sie hätte sich doch für Familie entschieden.
Als sie nach der Geburt wieder Kontakt aufnahm, um den Wiedereinstieg zu besprechen, erhielt sie die Kündigung. Eine Arbeit in Teilzeit sei in ihrem Job nicht möglich. Nina war geschockt und am Boden zerstört. Da das Leben mit einem Säugling sehr kräftezehrend war, hatte sie nicht die Kraft, sich dagegen zur Wehr zu setzen. „Wozu auch? Ich hätte da eh nicht mehr arbeiten wollen.“ sagte sie. Und erzählte dann von der Angst, die sie gehabt hätte vor einem schlechten Ruf in der Branche – sie wollte ja nicht, dass ihr alter Arbeitgeber schlecht über sie sprach, sollte er einmal auf sie angesprochen werden.
Wenn Recht und Gesetz auf Wirklichkeit trifft
Obwohl die rechtliche Situation da eigentlich völlig eindeutig ist, habe ich ähnliche Geschichten im Laufe meiner Coaching-Jahre immer wieder von Frauen gehört. Frauen, die eigentlich einen guten Job gemacht haben, bis sie sich erlaubt haben, schwanger zu werden. Und wir reden hier jetzt nicht von Branchen mit Gefahrengut! Und ich ärgere mich, wie die Situation der Mütter (und 1,6% der Väter!), ihr Vertrauen und ihre Loyalität in dieser Situation einfach ausgenutzt wird.
Viele Arbeitgeber:innen nutzen die emotionale Situation aus, obwohl sie wissen, dass sie das rechtlich gar nicht können bzw. dürften. Sie kalkulieren einfach, dass sich viele Frauen in diesem Moment allein gelassen, hilflos und überfordert fühlen und der Kündigung einfach kapitulierend zustimmen, obwohl sie gar nicht hätten gekündigt werden können! Und es ggf. sogar einen Anspruch auf Teilzeit gegeben hätte! Aber in einem solchen Schockmoment fallen dann erstmal alle klaren Gedanken auf Null herunter. Daher möchte ich für alle, die gerade an Familiengründung denken oder die gerade schwanger sind oder in Elternzeit zuhause kurz die Rahmenbedingungen skizzieren, die für diese besondere Zeit gelten.
Wer kann Elternzeit nehmen?
Elternzeit ist eine unbezahlte, bis zu 3-jährige Auszeit vom Job für Mütter und Väter. Während dieser Zeit muss rechtlich gesehen dein/e Arbeitgeber:in dich pro Kind bis zu 3 Jahre von der Arbeit freistellen. In dieser Zeit kannst du zum Beispiel Elterngeld beantragen, da du ja nichts verdienst.
Elternzeit kannst Du unter folgenden Voraussetzungen nehmen:
- Du bist mit einem deutschen Arbeitsvertrag angestellt, egal ob Vollzeit, Teilzeit, befristet oder „Mini-Job“
- Du lebst mit deinem Kind im gemeinsamen Haushalt.
- Du betreust und erziehst dein Kind selbst.
- Während der Elternzeit arbeitest du entweder gar nicht oder maximal 30 Stunden pro Woche in Teilzeit.
Wie sicher ist dein Job in der Elternzeit?
Grundsätzlich besteht während der Elternzeit ein besonderer Kündigungsschutz. Geregelt ist der nach §18 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Es werden zwei Phasen unterschieden: Direkt nach der Geburt bis zum dritten Lebensjahr und die spätere Elternzeit vom 3. Bis zum 8. Geburtstag, die ihr euch vielleicht noch mal zur Einschulung oder für andere wichtige Phasen aufhebt.
Während der Elternzeit kann dein/e Arbeitgeber:in dir nur in Ausnahmefällen kündigen, z.B. wenn der Betrieb vollkommen aufgegeben wird oder wegen schwerwiegender persönlicher Vergehen wie Betrug oder Veruntreuung.
Der besondere Kündigungsschutz beginnt, sobald du die Elternzeit anmeldest, aber frühestens eine Woche vor dem Beginn der Anmeldefrist.
- Vor dem 3. Geburtstag deines Kindes beginnt der Kündigungsschutz also frühestens 8 Wochen vor dem Beginn der Elternzeit
- Im Zeitraum vom 3. Geburtstag bis zum Tag vor dem 8. Geburtstag deines Kindes beginnt er frühestens 14 Wochen vor dem Beginn der Elternzeit.
Übrigens: Nach der Elternzeit gilt der besondere Kündigungsschutz nicht mehr. Dein/e Arbeitgeber:in kann dann das Arbeitsverhältnis kündigen, sobald die Elternzeit beendet ist. In dieser Situation gibt es also keinen besonderen Schutz mehr.
Aber: Dein/e Arbeitgeber:in muss sich trotzdem an die gesetzlichen Vorschriften für eine ordentliche bzw. außerordentliche (fristlose) Kündigung halten. Das bedeutet in Betrieben über 10 Mitarbeiter:innen muss ein gesetzlich anerkannter Grund angegeben werden, wie z. B. eine betriebsbedingte, eine verhaltensbedingte oder eine personenbedingte Kündigung. So kann es ein Thema sein, wenn du die vor der Elternzeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausführen kannst.
Außerdem heißt es auch, dass die Kündigungsfrist nach der Elternzeit für Kündigungen durch den/die Arbeitgeber:innen wieder dieselbe wie vorher ist. Du kannst also nicht einfach „schlag auf“ gekündigt werden. Solltest du selbst nach der Elternzeit kündigen wollen, bist du zumindest rechtlich auch an diese Kündigungsfristen gebunden (obwohl man da häufig mit seiner/m Arbeitgeber:in sprechen kann!). Solltest du also bereits während der Elternzeit klar wissen, dass du nicht zurückkehren willst, dann musst du drei Monate vorher die Kündigung einreichen.
Und wie sieht es mit Elternzeit in der Probezeit aus?
Auch während du gerade einen Job gestartet hast und vielleicht noch in der Probezeit bist, kannst du trotzdem Elternzeit in Anspruch nehmen. Auch in der Probezeit gilt für dich der besondere Kündigungsschutz der Elternzeit.
Woran es fehlt, ist eine klare gesetzliche Regelung, ob sich die Probezeit um die Dauer deiner Elternzeit verlängert. Dies kann ggf. in deinem Arbeitsvertrag oder in deinem Tarifvertrag geregelt sein. Wenn du während der Elternzeit weiterhin bei deiner/m Arbeitgeber:in in Teilzeit arbeitest, verlängert sich übrigens die Probezeit nicht!
Was kannst du tun, wenn dir die Rückkehr in den Job schwer gemacht wird?
Lass dich nie zu einer Entscheidung drängen, sondern fordere Bedenkzeit. Überlege dir in Ruhe, was du eigentlich willst und was für dich, für deine Familie in dieser Situation das Beste ist. Und dann lass‘ dich auf jeden Fall professionell beraten! Suche dir, wenn es sein muss, eine Anwältin oder Anwalt und verweise auf sie, wenn du viel zu enttäuscht und wütend auf deine(n) Arbeitgeber:in bist und dich jedes Gespräch nur noch zusätzlich belastet. Doch gehe nicht einfach kampflos, sondern spreche und verhandele und trete für dich und deine Familie ein. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, doch glaube mir, schon der erste Besuch einer Rechtsberatung wird dir Mut machen.
Zuletzt noch: Verschaffe dir selbst Klarheit, wie du in Zukunft Job und Familie planst.
Niemand ist gezwungen, über seine Familienplanung Auskunft zu geben. Die/der Arbeitgeber:in darf danach nicht einmal fragen. Wenn du einen neuen Job suchst und du das Glück hast, eine Stelle bei deiner/m Traum-Arbeitgeber:in angeboten zu kommen, solltest du dir dennoch im Vorfeld persönlich über deine Familienplanung im Klaren sein. Warum? Weil es offenbar dein Traumjob bei einer/m Traumarbeitgeber:in ist. Den Job auf die oben beschriebene Weise zu verlieren, ist auch persönlich sehr belastend – oftmals noch Jahre nach der Kündigung.
Traum- oder Alptraum-Arbeitgeber:in?
Wenn du ein Traumjob bekommst, erkundige dich direkt oder indirekt, wie es dort Mitarbeiter:innen ergangen ist, die Kinder bekamen und Elternzeit genommen haben. Versetze dich selbst in die Rolle der Arbeitgeber:in und wäge ab, was es aus dieser Sicht für Bedenken und Überlegungen geben könnte, wenn du Familie gründest und Elternzeit nehmen willst. Vielleicht ist es dir danach selbst wichtig, dass Thema aktiv vorab zu klären, so dass ihr beide wisst, worauf ihr euch in Zukunft einlasst. Klar, man kann zwar immer auf sein Recht pochen, doch die Wirklichkeit ist leider selten so eindeutig wie Rechtslage.
Eure Sandra
David Wagner auf Pixabay
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