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„Wer Ordnung hält ist nur zu faul zum Suchen!“

Ordnung Buch

7d24ebe1bad44663a3b756ac63bad7fdEs gibt so generationsübergreifende Dauerbrenner-Themen: Figur halten, Zeit einhalten und Ordnung halten. Und jede Generation hat für diese Lebensfragen ihre Sprüche, ihre Trends und ihre Gurus. Wenn es um Ordnung geht, war das vor ca. 20 Jahren mal Werner Tiki Küstenmacher und Lothar J. Seiwert  mit seinem Buch „Simplify your Life“. Und heute ist es Marie Kondō, die Ikone der ordentlichen Lifehacks. Dieses „Prinzip Ordnung“ ist durch Kondō und ihre begeisterten Follower:innen in den vergangenen Jahren eine sehr weibliche Domäne geworden, zumindest in den eigenen vier Wänden.  

Sind Frauen oder Männer ordentlicher?

Man sollte glauben, dass diese Frage schon längst wissenschaftlich beantwortet sei. Doch ist sie nicht. Wenn man nach Antworten sucht, finden sich nur Aussagen dazu, dass es kaum biologisch determinierte Verhaltensunterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Das war uns auch vorher klar. Es liegt jedoch nahe, dass das Ordnungsbedürfnis in den eigenen vier Wänden, ein Produkt sozialisierte Erziehung ist. Und da Frauen – sprich Mütter – in unserer Erziehung oft das Ordnungsvorbild sind, dürften sie diesen Part der Erziehung dominieren. Denn noch immer – egal, ob berufstätig oder nicht – übernehmen Frauen die meisten Haushaltsroutinen.

Ist das Bedürfnis nach Ordnung anerzogen oder individuell angelegt?

In einem Spiegel Artikel wird es mal so erklärt: „Ein Mädchen etwa interessiert sich schon als Dreijährige für die Briefmarkensammlung des Vaters. Sie lernt den sorgfältigen Umgang mit den empfindlichen Sammelobjekten, hat Freude am Zusammentragen und Ordnen von Dingen. Die andere fragt ihren Vater nach den Ländern, aus denen die Marken stammen. Später reist sie dorthin – und genießt es, wenn ihr von Zeit zu Zeit Erinnerungen an seine alten Geschichten in den Sinn kommen.“

Aha! Sucht man weiter, findet man ebenfalls nur sehr vage Erklärungen, wie unser individuelles Ordnungsbedürfnis geprägt wurde. Es ist schon kurios, wie wenig wir offensichtlich über die Hintergründe unserer Ordnungsliebe oder Ordnungshass wissen. Immerhin ist ja eine unterschiedliche Auffassung von Ordnung nicht selten ein großer Zankapfel in jeglicher Beziehung.

Den inneren Schweinehund in 30 Minuten beherrschen lernen!

Das ist eine Ansage, die Michel T. Wurster mit seinem Ratgeber „Für immer aufgeräumt“ macht. Wurster ist Profi: Einrichter, Journalist, Mitinhaber eines Einrichtungshauses und Karriere-Coach. Und er ist ein Mann. Deshalb haben wir uns die Frage gestellt, ob ein Mann andere Prioritäten bei der Ordnung setzt als eine Frau. Zumindest in der Form dürfte das Buch nicht sofort die Klientel ansprechen, die bislang bei Marie Kondō ihr Heil gesucht hat. Wurster präsentiert seine Erfahrungen und Ratschläge in Form eines nüchternen Crash-Kurses. Wer auf viele Vorher-Nachher Bildbeispiele hofft, wird enttäuscht sein. Doch wer einen strukturierten, systematischen und sehr effizienten Einstieg in „Wie schaffe ich dauerhaft Ordnung“ wünscht, der sollte zugreifen.

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Kaizen zieht vom Büro ins Heim.

Kaizen – nicht jedem bekannt – ist ein japanischer Begriff, der für eine Lebens- und Arbeitsphilosophie steht, die ganz methodisch danach strebt, sich kontinuierlich zu verbessern. Das Optimum ist das Ideal. Kaizen war vor gut 20 Jahren in der Industrie als Managementphilosophie sehr angesagt und ist dort heute verinnerlicht. Die Prinzipien des Kaizens nutzt Wurster als Ausgangspunkt in seine vorgeschlagene Ordnungsphilosophie. Und damit wird natürlich eine direkte „japanische“ Brücke zu Marie Kondō und ihrer KonMari-Methode geschlagen.     

Kaizen und KonMari ergänzen sich.

Während die KonMari-Methode mitreißend, gefühlig und einfach loslegen vermittelt, ist die von Wurster übertragene Kaizen-Philosophie eher rational, wohl überlegt und planerisch vorgehend. Wir finden, dass sich beide Ansätze gut ergänzen können, wenn auch Wursters Ansatz zunächst etwas spröde wirkt. Doch für Ordnungswillige lohnt es sicher, zuerst mal in sich zu gehen und strukturiert das Ziel „Für immer aufgeräumt“ zu planen.

Denn hier liegt oft die Krux bei vielen enthusiastisch gefeierten Ordnungsphilosophien. Sie sind wie hippe Diäten, mit denen man zwar schnell abnehmen kann, jedoch danach keinen Schimmer hat, wie man sein Wunsch-Gewicht nun halten soll.

Über 5 Stufen zum Ziel.

Die Stärke des Ratgebers liegt im klaren Fokus auf das Wesentliche. Damit befolgt Michael T. Wurster den Kern seiner Philosophie auch als Autor. Und Leser:innen können tatsächlich in weniger als 30 Minuten die Kernpunkte und Essenz des Ratgebers querlesend erfassen. Dazu dienen farbliche Hervorhebungen, Zusammenfassungen, ein Fast Reader am Ende und ein umfangreiches Register. Dass die vorgestellte 5-Stufen-Methode keine revolutionären, neuen Erkenntnisse vermittelt, dürfte nicht überraschen. Es sind einfach die Basics, die es durchzuhalten gilt, um ans Ziel zu kommen:

Stufe 1: Befreien vom Ballast.

Es beginnt mit der gnadenlosen Aufnahme des Istzustandes per Foto. Dann geht es ans mehr oder weniger radikale Ausmisten. Die Devise: Alles muss raus, was nicht notwendig ist! Tja, leichter gesagt als getan. Denn was sind denn die Kriterien dafür, was notwendig ist? Diese zu setzen, nimmt uns Wurster nicht ab. Klar ist: Wenn kein Leidensdruck da ist, Ordnung zu schaffen, wird die Auswahl wohl halbherzig sein. Man sollte den Druck erhöhen.

In einem Mehrpersonenhaushalt könnte man es ja mal demokratisch mit Abstimmung der Mehrheit versuchen. Jeder darf ein Zettel an die Dinge kleben, auf die er verzichten kann. Die Dinge, die ein Mehrheitsvotum erhalten, werden entsorgt. Entsorgen meint verkaufen, verschenken, auf Probe in den Keller räumen oder gleich zum Sperrmüll. In Einzelhaushalten könnte man das mit guten Freunden durchführen. Und man kann sich seine Lieblinge sichern, indem beispielsweise jeder 5 Joker bekommt, mit denen man die persönlich Top Fünf für sich sichern kann.

Stufe 2: Spielregeln für Zuhause.

Alle Mitglieder des Haushalts lernen, wo die Dinge ihren Platz haben. Beispielsweise wird Schmutzwäsche, Zeitungen, Post oder auch Werkzeuge etc. nur an einem Ort abgelegt. So, wie man Besteck im Besteckkasten sortiert. Wichtige zweite Regel: Was innerhalb weniger Sekunden geordnet werden kann, wird sofort geordnet. Was etwas mehr Zeit beansprucht, wird zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt geordnet.

Stufe 3: Permanente Optimierung.

Hier beginnt der Spaß mit neuen Anschaffungen, die die Ordnung in den eigenen vier Wänden optimieren sollen. Das Zuhause wird technisch und vom Mobiliar gezielt an die Bedürfnisse angepasst. Schränke werden so ausgestattet und befüllt, als hätten sie Glastüren, ein stummer Diener für alle [amazon link=“B07WG197XS“ /], um die Garderobe am Abend an einem Ort abzulegen.

Stufe 4: Disziplin und Eigeninitiative

Bewusst Routinen festigen und sich anhand von Hilfsmitteln weiter optimieren. Jetzt kommen für Freunde der Digitalisierung Smartphone und Smarthome Techniken zum Einsatz. Denn es gibt ja heute für alles eine App: Einkaufslisten für alle zugänglich, Essensplan mit Rezept und Zutatenliste, Checklisten und To-Do-Listen mit Erinnerungsfunktionen. Das alles lässt sich aber auch analog bewerkstelligen.

Stufe 5: Vision entwickeln

Eine individuelle Vision über den persönlichen Wohnstil entwickeln. Was ist mein Wohlfühl-Ambiente: Landhaus, Patchwork, modern oder klassisch? Und dann auch noch sein hyggeliges Plätzchen einrichten.

Disziplin ist das Regiment der Ordnung

Der Satz „Disziplin ist das Regiment der Ordnung.“ klingt als stamme er aus einem Lehrbuch der Hauswirtschaft des 19. Jahrhunderts. Wir können so einen Satz heute belächeln – doch leider verliert er dadurch nicht den Kern der Wahrheit. Wir alle müssen uns eingestehen, dass Ordnung, die Bestand haben soll, von uns Disziplin abfordert. Doch Disziplin & Ordnung sind so schrecklich negativ besetzte Worte, dass wir heute anderes finden müssen, um uns für die Ordnung zu motivieren.

Ich nenne es „Rituale schaffen“.

Rituale sind die angenehmste Art, Ordnung in seinem Leben zu halten. Sie sind stärker als Routinen und haben auch nicht deren trögen Beigeschmack. Das beginnt mit Morgen und Abend Ritualen zu festen Zeiten und setzt sich fort mit ortsgebundenen Ritualen, beispielsweise Schlüssel, Smartphone und Geldbörse immer am gleichen Ort zu deponieren. Zum Ritual habe ich auch das gemacht:

Mit jedem neuen Gegenstand, der in mein Heim einzieht, muss mindestens ein vergleichbarer Gegenstand das Haus verlassen. Die Bilanz wird so von Tag zu Tag für mich besser.

Im Schnitt besitzt jeder Mensch 10.000 Gegenstände.

Ja, ich konnte es anfänglich auch nicht glauben. Doch es ist eine Zahl des statistischen Bundesamts. Vor gut 100 Jahren verfügte ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland über rund 180 Gegenständen. Wir müssen sicher nicht auf dieses Level zurückkehren, aber ein wenig Reduktion wäre nicht nur für die Umwelt gut. Zumindest mir wurde meine Habe bei der Vorstellung solch einer großen Zahl mehr Last als Lust.

Das Buch von Michael T. Wurstler gibt´s im Buchhandel, beim Gabal Verlag oder auch bei amazon für € 9.90 [amazon link=“B08NFCD8SN“ /].

Titelbild: Free-Photos auf Pixabay 

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