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Let´s talk about Sex – Besserer Sex, wenn man drüber reden kann?

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„Lasst uns über Sex reden.“ war letztens der Einstieg in die Themenauswahl. Es folgte erst mal langes Schweigen. „Ok, das Thema ist der neue Ratgeber von Tracey Cox „Super Sex beginnt mit 50.“ Die Gesichter entspannten sich etwas. Denn das Thema „Sex und Frauen ab 50“ bekommt gerade medialen Schub: Die Kultserie „Sex in the City“ kehrt wieder zurück. Und das mit den gleichen Hauptdarstellerinnen, die heute alle Mitte 50 sind.

Dass Frauen (und mit Abstrichen auch Männer) über 50 heute vermehrt Wert darauflegen, attraktiv und „sexy“ zu sein, ist offensichtlich und gut so. Aber sexy sein und Sex haben sind zwei Paar Schuhe. Das eine ist öffentlich und das andere privat und intim. Und darüber spricht man nicht. Selbst bei anonymen Befragungen ist Sex das Thema, bei dem am meisten geflunkert wird. Klassisches Beispiel ist die Frage über die Anzahl an Sexualpartnern, die auch jüngst wieder in dieser Studie gestellt wurde. Hier klaffen die Angaben von Frauen und Männern sehr weit auseinander, was sich logisch nicht erklären lässt. Entweder übertreiben die Männer oder die Frauen gestehen nicht alle – oder beides. 

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Aus Studie

Wer liest denn Sex-Ratgeber?

Auch diese Frage wird nur sehr ungern beantwortet, was eine kleine interne Umfrage unter unseren Bekannten ergab. 

Tja, Ratgeber und Sachbücher zum Thema Sex sind keine Kochbücher. Sie werden zwar offenbar gelesen, doch weiß man nie von wem. Und Sex als Gesprächsthema ist erst recht ein zwiespältiges. In jungen Jahren spricht man da eher über Quantität und die Beschreibung der Qualität beschränkt sich bestenfalls auf ein drei bis fünf Sterne-System. Mit zunehmendem Alter und völlig unabhängig, ob Single oder feste Beziehungen, spricht man immer weniger über Sex – weder mit dem Partner noch mit Freunden. Vielleicht ist das der Grund, dass viele doch lieber allein darüber lesen als gemeinsam darüber zu reden.

Was macht es für uns spannend, sich durch diesen Ratgeber von Tracey Cox angeregt, auch allgemein zum Thema Sex Gedanken zu machen? Die Engländerin und langjährige BBC-Moderatorin Cox spricht mit dem Buch eine Generation an, die im Zeitgeist der „sexuellen Befreiung“ aufgewachsen ist. Eine Generation, über die man heute gerne kolportiert, dass sie zügel- und hemmungslos – begleitet von der Pille und noch nicht HIV riskierend – ihre Sexualität entdeckt und ausgelebt hätte.

Die Erkenntnisse, die Tracey Cox bei ihren Befragungen gewann („Ich habe für dieses Buch Hunderte von Frauen zwischen 45 und 80 interviewt.“) sind dann doch etwas ernüchternd:

Als ich Frauen über 50 bat, den Sex zu beschreiben, den sie als jüngere Frauen hatten, fielen die Begriffe unbeholfen, demütigend, langweilig, dürftig, angsterfüllt, fremd, spontan, dreckig, gefährlich, chaotisch, unaufschiebbar, beängstigend.

Würden die heutigen 20jährigen das nicht ähnlich beschreiben? Ist die jugendliche sexuelle Erfahrung nicht immer von Schweigen, Unsicherheiten und Missverständnissen geprägt, die letztlich Enttäuschungen mit sich bringen? Mit ein paar Jahren Abstand lächeln wir über unsere ersten Erfahrungen. Doch lernen wir daraus? Warum wird es mit der Zeit – wenn überhaupt – besser? Indem wir eine Sprache finden, unsere Lust und unsere Vorlieben dem Partner verständlich zu machen. Das muss nicht immer konkretes Reden sein. Wenn beide über ein gutes Einfühlungsvermögen verfügen, geht das auch ohne Worte.

Doch hat sich in den vergangenen 60 Jahren beim Sex etwas geändert? Sind wir privat lockerer und schamloser geworden? Kann man über Sex heute plaudern oder – noch wichtiger – über Probleme damit offener mit dem Partner oder gar im Familien- und Freundeskreis reden? Wir waren uns schnell einig, dass man diese und viele ähnliche Fragen nicht allgemein beantworten kann. Jeder hat da einen individuellen Weg. Doch einem Zitat aus Tracey Cox Buch stimmten wir alle zu:

„Sich begehrenswert zu fühlen, ist für Frauen wichtiger als ein Orgasmus.“

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Was wir aber zugleich beobachten: Sex wird in der Öffentlichkeit deutlich hemmungsloser thematisiert. Und diese öffentliche Hemmungslosigkeit bewirkt teils Gutes und teils auch sehr Belastendes. Belastend sind für viele die Erwartungen, die sie glauben, erfüllen zu müssen: Guter Sex – was auch immer das sein mag – als Grundbedingung einer Beziehung. Häufiger Sex als Gradmesser der persönlichen Leidenschaftlichkeit. Grenzenloser, abenteuerlicher und ekstatischer Sex als Nonplusultra überwältigender Lebenserfahrung. Und natürlich immer noch: „Multiple Orgasmen“.

Man schätzt, dass jeder dritte Orgasmus bei Frauen vorgetäuscht wird.

Die Zeitschrift Bunte, die die Studie dazu zitiert, findet diese Zahlen erschreckend. Wir nicht. Wir fühlen uns nur bestätigt: Offenheit beim Sex bleibt seit Jahrhunderten kompliziert.

Das Gute an der öffentlichen Hemmungslosigkeit ist, dass Frauen heute viel häufiger zum Höhepunkt kommen als noch vor Jahrzehnten. Wie das?

Die Zahl der Sextoys in deutschen Haushalten, allen voran Vibratoren und Dildos, ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. „Gut die Hälfte (52 Prozent) der heterosexuellen Frauen und Männer zwischen 18 und 69 Jahren nutzen Vibratoren, Dildos und Gleitmittel in der Partnerschaft, rund 72 Prozent der Frauen und 31 Prozent der Männer verwenden sie beim Solosex. Unter Menschen, die homo- oder bisexuell sind, scheinen Sextoys sogar noch stärker verbreitet zu sein.“ fasst dieser interessante Artikel über Sextoys im Magazin Spektrum eine aktuelle Studie der Uni Illmenau zusammen.

Ergänzend dazu zitiert Tracey Cox eine Studie, die das Generationenverhältnis bei Sextoys dokumentiert: „Eine aktuelle Umfrage unter 2000 Frauen über 40 ergab, dass nur etwas mehr als ein Viertel von ihnen einen Vibrator besaß und 68 Prozent gar kein Sexspielzeug hatten. Nur 30 Prozent gaben an, dass Sexspielzeug eine nützliche Rolle im Sexualleben des Paars spielen würde. Im Gegensatz dazu besitzt ein Viertel der jüngeren Frauen mindestens drei Sextoys.“

Literatur und Film sind ja häufig die Vorreiter zu einer öffentlichen Enthemmung. Das jüngst bekannteste und auch zwiespältige Beispiel ist Fifty Shades of Grey. Für Tracey Cox ist dies sogar ein bemerkenswerter Katalysator für ihr aktuelles Buch.  

„Die Gesellschaft ist offener für Themen wie die Wechseljahre, und – ob es Ihnen gefällt oder nicht – es gibt keinerlei Zweifel, dass Fifty Shades of Grey einen starken Einfluss auf Frauen mittleren Alters hatte; schließlich wurden wir an den guten, interessanten Sex erinnert, den wir hatten, bevor er langweilig und monoton zu werden begann. Ihre Kinder finden den Gedanken, dass Sie es immer noch tun, möglicherweise eklig, aber einige Frauen haben im Alter tatsächlich mehr und befriedigenderen Sex als je zuvor.“

Wir lassen hier mal die Debatte über das Rollenspiel und Rollenklischee in Fifty Shades of Grey außen vor. Die wird schon genug an anderen Stellen geführt. Zweifellos aber ist, dass jegliche aktive sexuelle Orientierungen, Fantasien und Praktiken heute kaum noch im Verborgenen bleiben. Was immer und wie immer man begehrt, man findet heute leicht Gleichgesinnte. Doch es gibt eine gravierende und große Ausnahme:

Die sexuell Nicht-Aktiven bleiben lieber in der Verborgenheit.

Wenn das Magazin Bunte die Zahl der vorgetäuschten Orgasmen erschreckend findet, wie würde die Redaktion dann erst die Tatsache finden, dass ab Mitte 50 über die Hälfte der Frauen kaum oder gar nicht mehr sexuell aktiv sind? Tracey Cox, selbst fast 60 Jahre alt, schreibt in ihrem 17. Buch über Sex und Beziehungen dazu:

„Die unangenehme Wahrheit ist: Für jahrelangen leidenschaftlichen Sex sind wir nicht gemacht. Lust und Liebe sind schlechte Bettgenossen und keine guten Freunde. Sex- und Liebeshormone kämpfen in unseren Hirnen gegeneinander, statt sich zu verbrüdern. Dass wir unseren Partner nicht mehr begehren, ist in langjährigen Beziehungen eher »normal« als andauernde Lust auf Sex.

Ob dieses Problem typisch für Hetero-Paare ist? Nein. Schwule Männer, lesbische Frauen, Bisexuelle, Transmenschen … es betrifft uns alle, unabhängig von unserer sexuellen Orientierung.“

Cox behandelt nicht nur die weibliche Perspektive, sondern auch die der Männer. Und neben vielen Tipps und konkreten Ratschlägen, wie man sein Sexualleben wieder aufpeppen kann, bleibt der wichtigste und wiederholte Appell: 

Redet über euren Sex.

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Dass das leichter gelesen als dann getan ist, weiß sie. Einer Studie zufolge erklärt eine Minderheit der Männer (44%),

„…, dass sie mit jemandem über Gefühle oder Probleme im Zusammenhang mit Sexualität sprechen. 9% der Männer verweigerten die Aussage auf diese Frage, da sie zu persönlich sei. (Volz and Zulehner 2009)“

Wir befürchten, dass das bei Frauen nicht viel anders ist. Dementsprechend gibt Cox auch sehr detaillierte Empfehlung dazu, wie man solche Gespräche einfädeln soll und wie man sie geschickt führt. 

Das ist sicher auch nicht jeder Frau Sache. Und auch die konkreten Tipps zur sexuellen Ermunterung – ob allein oder mit Partner – muss man nicht alle mögen, um den Grundtenor des Ratgebers von Tracey Cox dennoch gut zu finden:  

„In diesem Buch geht es nicht um den Versuch, jung zu bleiben – weder von der Einstellung noch von der Körperlichkeit her. Es geht nicht um einen verzweifelten Versuch, die Uhr zurückzudrehen. Es geht darum, Ihnen Informationen und praktische Lösungen an die Hand zu geben, damit Sie das Beste in Ihnen zum Vorschein bringen und Ihre Beziehung in jeder Lebenslage genießen können, voller Elan – und bereit, in der zweiten Hälfte Ihres Lebens ebenso glücklich zu leben wie in der ersten.“

Tracey Cox sexueller Muntermacher kommt vielleicht zur perfekten Zeit. Denn bei allen negativen Nachrichten zur Covid-Pandemie ist die erfreuliche, dass sie offenbar zu mehr Zeit und Experimentierfreude beim Sex anregt. Das legen zumindest die internationalen Verkaufszahlen von Sextoys nahe, die während der Pandemie die Prognosen über 40% bis 70% übertrafen.

Wenn das so ist, wünschen wir euch allen viel Spaß dabei.

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Und wer das Buch von Tracey Cox, übersetzt von Regine Brams, lesen möchte, kann es hier beim Dorling Kindersley Verlag bestellen oder im Buchhandel (ISBN 978-3-8310-4164-0) oder bei Amazon.

Und wer jetzt lieber nach Spielzeug stöbern möchte, der findet auch bei Amazon jede Menge Anregungen, z.B. diesen Bestseller [amazon link=“B07SZ88N2Q“ /]

Bildquellen: Titel – Luis Wilker Perelo WilkerNet auf Pixabay; Frau auf Bett Pixabay, Paar am Tisch StockSnap auf Pixabay 

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